„Wenn unsere Träume laufen lernen“
Angelika Hipp-Streicher, Fachleitung der Kinderstiftung Ravensburg, im Gespräch mit Künstler Marco Ceroli. Kinderstiftung
"Vielen Dank für alles", steht in einem "Traumkästchen" zu lesen. "Das ist unser Haus in Syrien, mein Zimmer, mein Teddybär" in einem anderen. Und gleich daneben beschreibt eine 14-Jährige ihren Weg vom Irak über Syrien und Dubai bis nach Deutschland, wo ihr Vater jetzt endlich Arbeit gefunden hat und kein Krieg herrscht. Auch russische, arabische und andere Texte in fremden Sprachen schmücken die bunten "Traumkästchen", die noch bis 28. Januar 2017 in der Galerie der Caritas zu sehen sind. In ihnen haben Kinder und Jugendliche mit Flucht- und Kriegserfahrungen ihre Träume in Szene gesetzt. "Wenn unsere Träume laufen lernen", ist die Ausstellung überschrieben. Am 1. Dezember wurde sie eröffnet.
"Wenn einer allein träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit", zitierte Angelika Hipp-Streicher, Fachleitung der Kinderstiftung Ravensburg, bei der Vernissage eine Botschaft des brasilianischen Erzbischofs Dom Helder Camara. "Treffender könnte die Ausstellung kaum beschrieben werden", so eine Besucherin. Viele Gäste waren gekommen, um die "Traumkästchen" zu bewundern und auf die Spuren der Träume aus Syrien, Afghanistan, Irak, Pakistan, Sudan, Nigeria, Eritrea, Rumänien, Russland, Kasachstan, Lettland, Polen, Kosovo, Serbien, Albanien, Mazedonien, Bulgarien, Ungarn, Griechenland, Vietnam, Italien oder der Türkei zu gehen. Musikalisch wurde diese Entdeckungsreise von Sängerin Anja Köhler begleitet.
Viele Besucher kamen zur Ausstellungseröffnung in die Galerie der Caritas.Kinderstiftung
Rund 150 Kinder und Jugendliche aus Vorbereitungs- und Willkommensklassen der Schule am Martinsberg und der Talschule in Weingarten sowie der Kuppelnau-Gemeinschaftsschule und des Welfen-Gymnasiums in Ravensburg haben sich an dem Projekt beteiligt, berichtete Projektleiterin Ulrike Schreiner-Luik von der Kinderstiftung. Die jungen Menschen im Alter zwischen acht und 17 Jahren mit Flucht- und Kriegserfahrungen haben ihre eigenen Lebensumstände, Sehnsüchte und Träume in den Mittelpunkt gestellt und die Möglichkeiten genutzt, ihre Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Unter der Anleitung des Kunstpädagogen Marco Ceroli gestalteten die Schüler ihre ganz individuellen "Traumkästchen". Wünsche und Träume wurden in Form von Symbolen und kleinen Gegenständen in den Kästen arrangiert und zu einem persönlichen Bild zusammengestellt. "Die Traumkästchen sind so vielfältig und individuell wie die jungen Menschen, die sie gestaltet haben", sagte Ceroli. Sie zeigen Sehnsüchte, Trauer und Ängste, strahlen aber auch viel Lebensfreude aus. Das Wörterlernen sei bei dem Projekt zwar nicht im Vordergrund gestanden, so Ceroli weiter. Die jungen Künstler sollten aber dazu motiviert werden, sich in einer für sie fremden Sprache zu artikulieren. "Ich habe dabei richtig Lust bekommen, zu schreiben und die deutsche Sprache zu lernen", sagte eine junge Syrierin.
Die Traumkästchen sind so vielfältig und individuell wie die jungen Menschen, die sie gestaltet haben. Kinderstiftung
Überrascht, was für tiefgründige Geschichten zum Teil entstanden sind, waren die Lehrerinnen Christine Pfeifle-Rauch (Schule am Martinsberg Weingarten), Susanne Bendel (Gemeinschaftsschule Kuppelnau Ravensburg), Bettina Wolf (Talschule Weingarten) und Angela Diangoné (Welfen-Gymnasium Ravensburg), die das Projekt an ihren Schulen begleiteten. "Manche Geschichten haben uns auch sehr betroffen gemacht", sagten sie. Ein Kurzfilm, der an der Gemeinschaftsschule Kuppelnau unter der Leitung des Theaterpädagogen Alex Niess entstanden ist, zeigte den Ausstellungsbesuchern, wie Jugendliche unterschiedlicher Nationen durch das Projekt zusammenfanden. "Besser kann Integration kaum funktionieren", so die einhellige Meinung.
INFO: Die Ausstellung "Wenn unsere Träume laufen lernen" ist bis zum 28. Januar 2017 in der Galerie der Caritas zu sehen. Das gleichnamige Theater-Kunst-Projekt endet Anfang Mai 2017 mit einer großen Aufführung aller Schüler in ihren Theatergruppen unter der Leitung der Theaterpädagogen Jutta Klawuhn, Alex Niess und Sarah Kleiner im Theater Ravensburg. Die Firma Habisreutinger hat das Holz für die Traumkästchen und die Firma Bodenseemöbel die Holzsägearbeiten gespendet. Unterstützt wird das Projekt von der Baden-Württemberg Stiftung im Rahmen von "Jugend-Kultur-Werkstatt: Wir machen Kultur, wie sie uns gefällt".