Tägliches Vorlesen fördert die Leselust
Der Vorlesetag unter dem Motto „vorlesen@ueberall - Ideen zur (Vor)Leseanimation“ wurde in diesem Jahr live und online aus der Streamerei im Kapuziner Kreativzentrum übertragen. Jutta Klawuhn und Alex Niess vom Theater Ravensburg demonstrierten anschaulich, wie man Geschichten zum Leben erweckt. Florian Dobler
Gewürzt mit praktischen und unterhaltsamen Tipps zum guten Vorlesen moderierten die Schauspieler und Theaterpädagogen Jutta Klawuhn und Alex Niess vom Theater Ravensburg den Vorlesetag. Im Fokus dabei die Lust am (Vor-)lesen auch während Corona zu wecken. Ohne Kaffee und Kuchen dafür mit spannenden Gästen und Beiträgen wurde klar, Vorlesen ist für jeden geeignet und kann Kindern gerade in Corona-Zeiten Halt bieten. Von klassischen Gedichten bis Sachbücher über ungewöhnliche Themen wie Ungeziefer findet sich für jede Zuschauerin und jeden Zuschauer der geeignete Text, um in die Lesewelten einzutauchen. Die vorgestellten Ideen und Projekte, wie Vorlesen trotz Corona möglich ist, zeigen wie wandelbar das Vorlesen ist. Ob über Bücherkinos, Apps mit regelmäßig neuen Vorlesegeschichten oder Informationen zum Umgang mit den Urheberrechten im digitalen Raum konnten langjährige und auch neue Vorleserinnen und Vorleser vieles dazu lernen.
Die Sendung bietet eine gute Mischung aus theoretischen und praktischen Themen rund ums Vorlesen und lässt dabei viel Platz für neue Ideen und Projekte, wie Vorlesen auch in diesen Zeiten weiterhin möglich ist. Die Gastgeber Ulrike Schreiner-Luik als Ehrenamtskoordinatorin und Projektleitung der Lesewelten der Kinderstiftung Ravensburg, Prof. Dr. Jürgen Belgrad, Professor für Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik von der Pädagogischen Hochschule Weingarten und Ludgar Baum vom Bildungsbüro Ravensburg freuen sich über einen gelungenen ersten digitalen Vorlesetag mit vielfältigen Beiträgen zum digitalen und analogen Vorlesen.
Die Sendung lässt sich unter https://www.youtube.com/watch?v=WhfE0p8ANS4 weiterhin anschauen.
Inhalt der Sendung:
Viele Menschen hätten Angst vorzulesen. Im Filmbeitrag der Stiftung Lesen heißt es, dass es dafür keine Schauspielausbildung braucht. Am schönsten sei es, wenn Vorlesen zu einem Ritual werde und das am besten täglich. Die Stimme erwecke die Geschichten zum Leben. Je nach Stimmung der Geschichte - mal schnell, mal langsam, mal laut und mal leise. Natürlich gaben Jutta Klawuhn und Alex Niess eine anschauliche Kostprobe, wie man den Spannungsbogen aufbaut und die Personen mit der Stimme lebendig macht.
Leselust-Bücherregal im Klassenzimmer
"Uns beschäftigt, dass die Kinder in ihrer Welt aktuell sehr eingeschränkt sind", sagte Carmen Huber, Direktorin des Staatlichen Schulamtes Markdorf. Sie sollten trotz Corona-Krise immer wieder in neue Welten schlüpfen können und es sei wichtig, ihnen weiterhin die Freude am Lesen zu vermitteln. Zum Vorlesetag brachte Carmen Huber die Idee mit, dass jedes Kind in der Klasse zwei seiner Lieblingsbücher vorstellt. "Eines kommt unter die Bank und das andere ins Leselust-Bücherregal", so Huber. Sei eine Schülerin oder ein Schüler beispielsweise mit einem Aufgabenblatt fertig, könne er sich im Bücherregal bedienen. "Toll wäre auch, wenn jede Woche alle in der Schule von der Schülerin über die Lehrer bis zum Hausmeister für 15 Minuten gemeinsam lesen würden."
Ruhig auch mal ein Sachbuch vorlesen
Christine Kranz, Referentin für Leseförderung bei der Stiftung Lesen aus Mainz, stellte originelle Sachbücher vor, zum Beispiel "Darwins Abenteuer und die Geschichte der Evolution", gestaltet wie eine Internet-Seite, "Komm mit raus, Entdeckermaus", ein Buch mit gleichnamiger App, Angeberwissen "321 superschlaue Dinge, die du über Tiere wissen musst" oder "Eklige Untermieter", ein Buch über Ungeziefer. "All diese Bücher machen neugierig und sie machen den Kindern Spaß", weiß Christine Kranz. Sie empfiehlt, zunächst das Vorwissen der Kinder zu aktivieren, dann die Illustrationen zu betrachten und kurze Abschnitte auf dialogisch gestaltete Art und Weise vorzulesen. "Das heißt, es kommen Fragen, es wird entdeckt, erzählt und erweitert", erklärt Christine Kranz.
Studien belegen die positiven Effekte des Vorlesens
Dr. Jürgen Belgrad, emeritierter Professor für Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik an der PH Weingarten, veranstaltet den Vorlesetag seit neun Jahren und stellte die Ergebnisse der Vorlesestudie 2020 der Stiftung Lesen vor. "Leider finden die Eltern nach dieser Studie das Vorlesen gar nicht attraktiv. 49 Prozent sagen, dass es ihnen keinen Spaß macht und 28 Prozent wissen nicht, was sie ihren Kindern vorlesen sollen", berichtete Prof. Dr. Belgrad. Dabei würden alle Studien die großen Effekte des Vorlesens zeigen. "74 Prozent der Kinder, denen täglich vorgelesen wird, fällt das Lesen leicht und sie sind in der Schule erfolgreicher." Zusätzlich stärke es die Konzentration und die Fähigkeit des Zuhörens. Auch das Klassenklima und die Arbeitsatmosphäre seien im Rahmen eines Schulprojekts zur LESEFÖRDERUNG DURCH VORLESEN besser geworden. "Wie kann man es sich erklären, dass das Vorlesen so wirksam ist?", fragte Prof. Dr. Belgrad. Das Dekodieren von Wörtern und Sätzen entfalle beim Vorlesen und man könne sich ganz auf die mentale Vorstellung, das sogenannte Kopfkino, konzentrieren. "Wenn ich dann selbst lese, kann ich das Zweite schon und kann mich stärker um die Dekodierung kümmern. Ich habe also eine erhöhte Verarbeitungskapazität."
Verlage reagieren auf die Corona-Situation
Wie Verlage auf die Corona-Situation reagieren zeigte Johanna Just am Beispiel des Ravensburger Verlags. "Gerade wenn Kinder viele digitale Medien nutzen erdet es sie gut, wenn man ihnen vorliest", so Just. Für Bibliotheken und Schulen sei es im Moment nicht einfach, das Vorlesethema weiter zu verfolgen. Dazu gelte es, rechtliche Fragen zu beachten. So dürfe man nicht einfach selbst Vorlese-Filme auf Youtube stellen. "Nicht bei allen Büchern liegen die Online-Rechte vor." Der Ravensburger Verlag reagierte darauf mit dem "Ravensburger Bilderbuchkino". Die ca. 15 Bilder zu jedem Buch kann man kostenlos herunterladen und gemeinsam mit den Kindern erleben.
Experiment mit durchschlagendem Erfolg
Vorlese- und Schreibfanatiker Timmo Strohm und Anette Stacheder, Puppenspielerin, Vorleserin und Bühnenbildnerin bei Ottokars Puppentheater, zeigten, wie man Fabeln mit Hilfe von Puppen oder Bildern lebendiger machen kann. Sie unterhielten mit Gedichten und überraschten mit ihrem guten Gedächtnis. Ludger Baum, Leiter des Regionalen Bildungsbüros Landkreis Ravensburg, lobte am Ende das Online-Format des ersten digitalen Vorlesetags als Experiment mit einem durchschlagenden Erfolg. Mit einem Video der Kinderstiftung Ravensburg, in dem im Zuge des Lesewelten-Jahresthemas "Der Natur auf der Spur - Erkennen, Erleben, Erhalten" zahlreiche Buchtitel vorgestellt wurde, endete der Vorlesetag.
Mit einem Video der Kinderstiftung Ravensburg, Kinderstiftung Bodensee und der Stiftung Kinderchancen Allgäu, in dem im Zuge des Lesewelten-Jahresthemas "Der Natur auf der Spur - Erkennen, Erleben, Erhalten" zahlreiche Buchtitel vorgestellt wurde, endete der Vorlesetag.